Nachtrag vom 22.03.2024
Am Abend des gestrigen Tages ereignete sich dann noch etwas:
- Wir wurden ständig auf der Straße angesprochen bezüglich unserer verlorengegangener Fahrräder. Dank des Facebook-Eintrages schien jeder Bürger der Insel um unser Schicksal zu wissen.
- Tatsächlich wurde eine Bananenhilfslieferung zum Trost ausgeliefert. Solche Unmengen von Früchten waren wir dann nicht gewachsen und mussten einige Stauden an andere Segler verteilen.
- Die Polizei stand zu später Stunde am Kai und gab Blaulicht-Zeichen. Wir ruderten an Land und wurden erstmals im Polizeiauto zur Polizeistation gefahren. Dort überredete uns der Chef, mit unserer Abreise noch etwas zu warten. Es gäbe berechtigte Hoffnung unsere Fahrräder wiederzufinden! So bleiben wir erst einmal bis Montag noch im Lande!
4.3. – 21.03.2024 Wechselhafte Stimmungslage auf Yap
Am frühen Morgen ziehen wir den schlammigen Anker samt schlammiger Kette aus den pohnpeiischen Meeresgrund, versuchen alles etwas zu reinigen und tuckern zum Ein- und Ausklarierungsdock. Aus Platzgründen müssen wir diesmal am riesigen Frachter „Lady Pohnpei“ anlegen, was das Manöver etwas schwierig gestaltet. Wie sollen wir unsere Leinen da rauf bekommen? Aber ein freundliches Besatzungsmitglied hilft und um 9 Uhr sind wir bereit für den ungeliebten Papierkrieg mit den Behörden. Trotz mehrmaliger Bettelei per Funk passiert nichts. Gegen Mittag (!!!) rückt dann erstmals die Staatsmacht in Form der Immigrationsbehörde an. Mittlerweile herrschen Temperaturen um die 35 Grad, die Dieselabgase des Frachtergenerators haben uns in einen Trancezustand versetzt und der Motorenlärm lässt Gespräche nicht zu. „Und Zoll? Und Hafenbehörde?“
„Kommen auch gleich!“, so die optimistische Antwort des Kollegen. Später verlassen wir das Boot und suchen einen Verantwortlichen – mittlerweile haben wir frühen Nachmittag – und werden wieder vertröstet. Nach einem cholerischen Anfall der Besatzung des Segelschiffes Esmeralda fährt uns nun die Hafenpolizei in ein Büro und wir dürfen die 80 Dollar für was auch immer entrichten. Jetzt fehlt noch der Zoll. Anklagend bleibt die Besatzung am Eingang des Geländes in brütender Hitze stehen. Angeblich wird mehrfach beim Zoll angerufen. Um 16 Uhr kommt der Kollege, weiß natürlich von nichts, füllt in 2 Minuten ein Papierchen aus und jetzt dürfen wir los. Was für eine Ignoranz!!! Alle Behörden sind rundherum nahe verteilt, abgesehen vom überschaubaren Flugverkehr des auch nur 200m entfernten Flughafens dürften die Herrschaften sich heute nicht überfordert haben. Mit reichlich stiller Wut im Bauch verlassen wir die Insel.
Das Wetter scheint aber alles wieder ins rechte Lot bringen zu wollen. Achterlicher Wind mit 20 Knoten schiebt uns ins 1200 Meilen entfernte Yap. Hin und wieder gilt es einem Inselchen auszuweichen, stundenlang segeln wir über das East Mariana Basin mit Wassertiefen zwischen 20-50 Metern, was mitten im Pazifik etwas seltsam wirkt, und ansonsten passiert nicht viel. Leider fällt unterwegs unser Schleppgenerator aus (Wassereinbruch), welcher uns auf den Segeltouren auch bei Nacht, wenn die Solarpaneele schlafen, mit Strom versorgt hat. Squalls gibt es kaum und erst am letzten Tag legt der Wind sich für ein paar Stunden zur Ruhe. Trotzdem erreichen wir Yap nach knapp 9 Tagen auf See zur Mittagszeit und können sofort einklarieren. Auch hier wieder der übliche ausufernde Papierverschleiß! Aber nach 2 Stunden sind alle da gewesen und wir sind fertig.
Der erste Gang an Land führt uns ins Manta-Ray-Bay-Resort! Die Happy Hour wird unüberhörbar mit einem Kanonenschuss angekündigt. Man sitzt auf einem alten Holzschiff und kann tatsächlich selbstgebrautes Bier vom Fass genießen. Witzigerweise treffen wir hier noch zwei Landsmänner: Sven und Matthias sind von Deutschland zum Tauchen hierhergekommen. Wir freuen uns mal wieder in der Heimatsprache zu plaudern.
In den nächsten Tagen sind wir mit den Fahrrädern unterwegs und umrunden den Nordteil der Insel, besichtigen die Hinterlassenschaften des 2.Weltkriegs und kommen immer wieder an den Steingeld-Feldern vorbei. Bis 1931 wurde auf Yap mit Steingeld bezahlt. Es gab kleinere „Münzen“, aber auch bis zu 4 Metern im Durchmesser messende Steine. Allen ist gemeinsam, dass ein Loch in der Mitte ist und dass sie aus besonderem Material sind, welches nur auf Palau vorkommt. Die schwierige Herstellung und der aufwändige Transport von Palau nach Yap machte den Wert des Geldes aus. Große Geldsteine blieben an ihrem Platz stehen und der Dorfälteste wurde über den momentanen Besitzer informiert. Für uns klang das alles etwas kompliziert, aber anscheinend hat es ja viele Jahre so funktioniert.
Da wir nicht jeden Tag die Fahrräder zum Boot zurückbringen wollen, haben wir sie an einem relativ sicheren Ort angeschlossen. Das hat bisher in allen Ländern bestens funktioniert. Nur hier auf Yap erleben wir eine große Enttäuschung: Eines Morgens sind die Räder weg. Wir sind sehr traurig, haben uns die Fahrräder seit Curacao doch begleitet und immer ohne größere Probleme durch die nähere und ferne Umgebung gebracht und schwere Lasten nach dem Einkauf zum Boot transportiert. Man baut dann doch eine persönliche Beziehung zu diesem eigentlich seelenlosen Teil auf.
Wir melden es der Polizei und geben auch über das hier sehr populäre Facebook den Verlust bekannt. Die Insel ist ja nun wirklich nicht groß und jetzt dürfte keiner mehr mit den hier ungewöhnlichen Falträdern rumfahren können. So hoffen wir doch auf eine Rückkehr. Uns erreichen per Facebook eine Menge bedauernder Nachrichten, sogar Bananen werden uns als Trost angeboten, leider tauchen unsere Weggefährten bis jetzt jedenfalls nicht wieder auf.
Auch unser Schleppgenerator ist nicht mit Bordmitteln reparierbar und muss zum deutschen Hersteller. Auch keine aufmunternde Nachricht.
So endet dieser Blogeintrag melancholisch. Morgen werden wir in Richtung Indonesien (ca. 800 Meilen) aufbrechen. Unterwegs wollen wir am Helen-Riff (550 Meilen) eine kurze Rast einlegen. Das Atoll gehört zu Palau, verlangt aber keine Einreiseformalitäten. Wir werden berichten!
17.02. – 03.03.24 Pohnpei
Die ungefähr 330 Meilen bis zur Insel Pohnpei segeln sich fast von alleine. Der Wind passt in Stärke und Richtung und der große Weltenlenker verzichtet mal ausnahmsweise weitestgehend auf stürmische Squalls mit massiven Gratisduschen. Für unser 3. Crewmitglied (die Windsteuerung) hatten wir uns eine kleine Überraschung überlegt und die Leinenführung zum Steuerrad unserer Meinung nach optimiert. Weniger Reibung, keine Beeinträchtigung des Travellers… Missmutig nimmt sie dies zur Kenntnis und steuert trotzig in falsche Richtungen. Wir hatten es ja nur gut gemeint, stellen also wieder den alten Zustand her und so herrscht auch hier die gewohnte positive Stimmung.
Wie auch schon auf der Fahrt nach Kosrae lässt sich immer mal wieder ein Tölpel (im englischen Sprachraum heißen sie übrigens etwas freundlicher Booby) in der Nacht von uns in westliche Richtung transportieren. Mit wenig Scheu setzen sie sich auf Bug- oder Heckreeling oder auch verbotenerweise auf das Solarmodul. Anscheinend besteht in der Nacht Flugverbot und so nehmen wir es hin und begrüßen die Gäste freundlich. Leider wird nie um Erlaubnis gebeten, nie sich höflich verabschiedet und auch Anstand und Sauberkeit lassen sehr zu wünschen übrig. Naja.
Die sportlich eingestellte Esmeralda braucht uns nicht allzu oft und regelt den Trip zumeist alleine. Nur in der letzten Nacht müssen wir sie mal wieder etwas bremsen: Wir sind extra am Freitag-Vormittag in Kosrae gestartet um Montag-Morgen am Zielort zu sein, damit wir die ansonsten fälligen Unzeitgebühren beim Einklarieren sparen können. So ziehen wir im frühen Morgenlicht des Montags durch den Pass und stehen pünktlich um 8 Uhr vor der Hauptstadt Kolonia. Wie immer dauert es geraume Zeit, bis die Hafenautoritäten unsere Funksprüche erhören und uns antworten. Antworten? Ein seltsames und kaum verständliches Gestammel ist endlich zu vernehmen, welches wir so interpretieren, dass wir am nahen Dock anlegen sollen. Hat der gute Mann keine Zunge oder leidet er an einer heftigen Halsentzündung?
Das Rätsel löst sich, als unser Gesprächspartner am Dock auftaucht – er hilft uns tatsächlich beim Anlegen – und wir sehen, dass er den Mund voller Betelnüsse hat, welche er permanent kaut. Immer wieder spuckt er ekligen braunen Schleim in die Gegend. Die rudimentären Zähne und das Zahnfleisch sind ebenso braun verfärbt. Kein schöner Anblick…
In den nächsten Tagen können wir diesen schönen Brauch noch bei vielen Männern in Taxis, in den Behörden und auf den Straßen beobachten. Das Betelkauen setzt Alkaloide frei, welche anregend wirken und Müdigkeit bekämpfen. Leider macht es aber auch abhängig und fördert bösartige Entartungen im Mund- und Rachenraum. Da es auch den Speichelfluss fördert, spuckt Mann (wir haben nur eine Frau gesehen, die Betel kaute) ungeniert den braunen Saft auf den Boden oder in irgendwelche umstehenden Behältnisse. Die tapfere Besatzung des Segelschiffes Esmeralda hat ja schon viel erlebt, mag sich aber aus ästhetischen und medizinischen Gründen an diesen Anblick nicht gewöhnen.
So, zurück zur Boarding-Party und zurück zum Einklarierungsdock! Hier wird es nun lebendig: Eine Behörde löst die andere ab, jeder nimmt freundlich und dankbar diverse Kopien von Pässen, Crewlisten und Bootspapieren entgegen und nach 1,5 Stunden ist alles relativ schnell erledigt. Eigentlich bewegen wir uns seit dem Eintreffen in Kosrae in einem Land: den Föderierten Staaten von Mikronesien. Trotzdem will der Beamtenapparat einer jeden Insel auf ein sinnerfülltes Arbeitsleben blicken und so muss halt überall ein- und ausklariert werden. Was soll´s, wir haben es so hinzunehmen.
Bis zum Ankerplatz ist es dann nicht mehr weit. Wir werden begrüßt von einem amerikanischen Boot, welches wir schon von Majuro her kennen und von denen wir die nötigen Informationen zum Standort bekommen. Zum Nachmittag trifft dann auch die schwedische Ayla ein. Roberth und Helen und ihre 3 Kinder haben wir seit Tuvalu immer wieder getroffen und auf langsame skandinavische Weise haben wir uns angefreundet. Wir haben Respekt vor der Art und Weise des Reisens der Fünf. Ist für uns doch immer Sonntag, so muss an Bord der Ayla Schule absolviert werden, jedes der drei heranwachsenden Kinder will speziell ernährt, beglückt und beachtet werden. Außerdem ist Ayla nur 40 ft lang (wie auch Esmeralda) und muss aber der ganzen Familie Platz bieten. Den Kindern scheint die Weltumseglung trotz des sicherlich schmerzlichen Entzugs des Freundeskreises gut zu bekommen. Wie auch die Eltern sind sie sprachgewandt, freundlich und sozial kompetent.
Ein paar Tage später taucht dann übrigens auch noch Blue-Jay auf. Der Australier Jay ist mit der amerikanischen Suzie unterwegs und auch wir sahen uns schon an ein paar Ankerplätzen. An einem der folgenden Tage mieten wir uns gemeinsam ein Auto und klappern die Sehenswürdigkeiten der Insel ab.
Wasserfälle, Seeaal-Becken und das aus dem 9.-15. Jahrhundert stammende Dorf Nan Mandol. Die beeindruckenden Megalithbauten wurden aus riesigen Steinbalken blockhausartig zusammengesetzt und konnten bis in unsere Zeit überdauern. Da der Komplex auf ein Riff gebaut wurde, kann er nur bei Niedrigwasser begangen werden. Bei Hochwasser ist es möglich, den ausgedehnten Komplex mit Booten in den Kanälen zu besuchen.
Die bereits oben beschriebenen reizenden Kinder der Ayla haben es den Besatzungen der Blue-Jay und der Esmeralda so angetan, dass spontan ein Eiskrem-Frühstück in geheimer Mission arrangiert wird. Am frühen Morgen überreicht eine Delegation beider Schiffe den Heranwachsenden überraschend eine große Auswahl für die körperliche Entwicklung so notwendigen Süßigkeiten wie Schokolade, Bonbons und die bereits erwähnte Familienpackung Eiskrem. Frohsinn und Glücksgefühle umschwirren das Segelschiff Ayla wie nächtliche Fledermausschwärme. Oder so ähnlich.
Zufällig treffen wir auf der Hauptstraße von Kolonia Cindy. Sie spricht uns sofort an und weckt schon einmal unser Interesse durch eine große Tüte Cherry-Tomaten. So was haben wir doch schon eine geraume Zeit nicht mehr gesehen. Cindy ist Amerikanerin, hat aber 7 Jahre auch in Deutschland gelebt. Jetzt hat sie gemeinsam mit Ehemann Wayne eine Farm auf der Insel und baut Obst und Gemüse an. Das finden wir interessant und auch ihre lustige Art gefällt uns. So vereinbaren wir ein Treffen zur Besichtigung der Latifundien. Sehr mühsam haben sie eine Fläche dem Dschungel entrissen, terrassiert und bepflanzt. Feigen, Mandarinen, Salat, Pfeffer, Tomaten und vieles mehr wächst zum Eigenverbrauch aber auch zum Verkauf hier und vermutlich schütteln viele Einheimische die Köpfe über diese selbstauferlegte Mühsal. Bananen wachsen doch überall, Reis ist billig und Fische kann man aus dem Meer holen. Was braucht es mehr? Tatsächlich unterhalten wir uns ein paar Tage später mit einer jungen Frau, welche ein kleines Kind im Arm hält, auf der Straße. Sie erzählt uns, dass sie nicht arbeitet und lieber bei den Kindern ist und auch ihr Mann arbeitet zurzeit nicht, geht jedoch Speer-Fischen und kann auch so die Familie ernähren. Wir haben für beide Seiten Verständnis. Auf jeden Fall kam uns auch schon der Gedanke, dass Arbeitsquantum und Lebenssinn sich nicht unbedingt direkt proportional zueinander verhalten.
Auch rückblickend auf die Historie der Insel stellt sich so manche Sinnfrage bezüglich jeglichem menschlichen Strebens. Im Jahre 1899 erwarb das Deutsche Reich Ponape (heute Pohnpei) von den Spaniern. Der deutsche Vizegouverneur Victor Berg schaffte es noch, auf relativ friedliche Weise die Insel mit ihren 3000 Einwohner zu verwalten. Nach seinem Tod 1907 sollte nun alles anders werden. Der Landbesitz wurde zum Unmut der Stammeshäuptlinge neu geregelt und alle männlichen Bewohner mussten 15 Tage im Jahr für die deutsche Kolonialverwaltung arbeiten. Durchsetzen sollte dies Gustav Boeder als neuer Vizegouverneur. Bekannt für sein brutales Vorgehen gegen die lokale Bevölkerung in Deutsch-Tonga, bewies er auch hier, dass man überall Konflikte herbeiführen kann. So kam es im Oktober 1910 bei Straßenbauarbeiten zu einem Aufstand der Zwangsarbeiter, in dessen Verlauf einige der verhassten deutschen Aufseher – unter anderem auch der sehr unbeliebte Gustav Boeder – den Tod fanden. Der Aufstand wurde mit Hilfe von rekrutierten lokalen Polizisten wie auch mit Hilfe der deutschen Marine letztendlich blutig niedergeschlagen. Viele Todesurteile wurden ausgesprochen und der Rest der Meuterer zu Zwangsarbeit auf andere Inseln geschickt. Wir entdeckten in der Hauptstadt Colonia einen kleinen deutschen Friedhof mit den Gräbern der im Aufstand gefallen (deutschen) Beteiligten. Sinnigerweise hatte die Witwe von Gustav Boeder den Grabspruch „Die Liebe ist stärker als der Tod“ auf den Stein setzen lassen.
Mit Beginn des 1. Weltkriegs war das deutsche Abenteuer hier dann auch schon beendet. Japan übernahm die Herrschaft und verlor diese dann bekanntermaßen im 2. Weltkrieg. Große Schlachten fanden nicht statt, jedoch wurde die Insel ausgiebig von den Amerikanern bombardiert und tatsächlich kapitulierte japanuntypisch die Besatzungsmacht im Jahre 1944. Nun standen also die USA am Steuerstand und sie sind es trotz Unabhängigkeit der Föderierten Staaten von Mikronesien 1986 noch immer, da es einen Staatenbund gibt, welcher für das Land anscheinend Vorteile (Geldzuwendungen) bringt. Auch hier leben ca. 50% der Bevölkerung in den USA und arbeiten hauptsächlich in der Army.
Farmerin Cindy und Ehemann Wayne treffen wir übrigens noch zweimal wieder. Wayne kommt aus Texas und spricht dementsprechend in seinem langsamen Südstaatendialekt. Durch Weglassen bestimmter Buchstaben, andere Aussprache von Vokalen und vor allem durch die kehlige Stimme ist die Konversation nicht so einfach. Aber das ist irgendwie dann auch kein größeres Problem. Während man Wayne in typisch amerikanischer Weise zum Beispiel erst einmal über die Existenz zweier deutscher Staaten bis 1990 aufklären muss, ist Cindy geschichtlich und politisch auf der Höhe der Zeit. Normalerweise unterhalten wir uns mit Amerikanern erst über Politik, wenn wir sie sehr gut kennengelernt haben, da man sich ansonsten auf Überraschungen einstellen muss. Mit Cindy macht ein solches Gespräch aber Spaß. Kubakrise, Raketenstationierung in Europa, die Sinnhaftigkeit von Präsidentenwahlen in den USA („Die Fäden ziehen ja doch ganz andere!“), Burenkrieg: All das ist erfrischend und gibt Hoffnung bezüglich der politischen Entwicklungen in den USA.
Pohnpei ist glücklicherweise nicht so streng religiös wie Kosrae. Hier klingt im Gegensatz zu den nie verhallenden Kirchenglocken in Kosrae am Sonntag eher Unterhaltungsmusik über das Wasser. Die Frauen sind sommerlich-angemessen knapp bekleidet und auch sonntägliche Unternehmungen wie Baden und Tauchen sind kein Problem. Auf Kosrae sah man das ja doch ungern. Erstaunlicherweise sind sogar die Hunde hier etwas weniger unfreundlich als auf der letzten Insel. Manchmal muss man sie in scharfem Kommandoton (natürlich in der gut hierfür geeigneten deutschen Sprache) auf nötige Grenzen hinweisen, aber massiverer Angriffe braucht man sich meist nicht zu erwehren. Vermutlich liegt dies aber auch daran, dass die Fahrräder wegen der sehr bergigen Insel nicht an Land durften und wir uns nun als etwas harmlosere Fußgänger über die Insel bewegen.
Die grünen Berge der Insel wollen natürlich von der Besatzung des Segelschiffes Esmeralda bestiegen werden. Der Sokehs-Mountain ist eine leichte Übung. Auf dem Weg zum 271 Meter hohen Gipfel kann man noch einige japanische Geschützstellungen und andere militärische Hinterlassenschaften besichtigen.
Der Sokehs-Rock ist dann eine echte Herausforderung. Ein steiler zugewachsener „Weg“ geht dann zum Schluss vertikal in die Höhe. An Seilen kann die alpinistisch-geschulte Besatzung dann emporklettern und wird mit einem grandiosen Gipfelblick belohnt. Aber wie soll sie wieder herunterkommen? Komischerweise scheint dies problematischer zu sein. Aber, der Leser dieser Zeilen wird es ahnen, irgendwie müssen sie es ja geschafft haben.
Für einen der wenigen gesetzlich festgelegten Bordfeiertage haben wir uns eine besondere Wanderung aufgehoben. Am südlichen Ende der Insel gibt es einen Six-Waterfall-Hike, den wir noch absolvieren wollen. Problematisch ist erst einmal der Transport dorthin. Die spärlichen Informationen im weltweiten Netz deuten darauf hin, dass man sich zu diesem Zwecke einen Guide mit entsprechendem Fahrzeug „mieten“ soll. Der führt die Kundschaft dann von Wasserfall zu Wasserfall und kann sicherlich noch einiges erzählen. Das klingt doch aber langweilig und wir wollen es natürlich auf eigene Faust probieren. So stehen wir am Morgen an der Straße und versuchen eines der eigentlich sehr billigen Taxis zu einer Fahrt um die halbe Insel zu animieren. Das erste Taxi kennt das Ziel nicht, ruft uns aber einen in diesen Dingen erfahrenen Kollegen heran. Das klingt ja schon einmal nicht so gut. Tatsächlich taucht nun unser „Lieblingsfahrer“ auf, der schon zweimal uns zu Zielen innerhalb der Stadt fahren sollte und – vermutlich von reichlichem Betelnuss-Gebrauch verwirrt – immer wieder von uns auf die richtige Strecke gebracht werden musste. Außerdem fiel er unter all diesen so freundlichen Menschen durch seine herablassende Art unangenehm auf. So steigen wir erst einmal nicht ein und starten die Preisverhandlungen. Er will für diese Fahrt 120 Dollar, was hierzulande eine extrem hohe Summe darstellt. Neee, wir sind zwar Touristen, aber das bezahlen wir nicht. Er fährt angewidert von uns wieder ab und wir beschließen zu trampen. Das ist auch kein Problem: Zuerst auf der Ladefläche eines LKW, dann im Kleinwagen eines unheimlich netten Paares. Hier auf Reissäcken sitzend, haben wir uns sehr angeregt während der ganzen Fahrt unterhalten und lernen viel über das Leben auf Pohnpei. Auch sie waren lange in den USA, kehrten aber voller Heimweh zurück. Sie sind jetzt glücklich in ihrem kleinen Haus mit 5 Hunden, Schweinen und etwas Landwirtschaft. Die 4 Kinder und 11 Enkelkinder leben aber in den Vereinigten Staaten und werden wohl auch dortbleiben. Die Beiden sind dann so freundlich, uns noch ein ganzes Stück weiter als ihr Ziel, nämlich bis zum Beginn des Wanderweges zu fahren. Geld lehnen sie natürlich ab. Was für herzliche Menschen!
Die Wanderung beginnt mit 2 Extrawasserfällen, die wir natürlich mitnehmen. Baden im Fluss, kleines Picknick: Könnte es schöner sein? Dieser Extra-Weg war aber doch recht zeitraubend und nun fragen wir uns, ob wir den 5-Stunden-Hike entlang der 6 Wasserfälle noch schaffen. Nein, alles werden nicht schaffen, so dass wir nur ein Stück des Weges erwandern wollen.
Version 1
Wir laufen mehr als eine Stunde über einen schmalen Weg in den Dschungel hinein, erleben eine großartige Natur, baden in einigen Flüssen und sehen keinen Menschen. Wunderbar! Dass die Wasserfälle sich nicht zeigen, ist nicht so schlimm. Eine wunderschöne Wanderung!
Version 2
Am Beginn des Six-Waterfall-Hike steht ein Schild, welches darauf hinweist, dass man sich im nahe gelegen Haus melden soll, dort 10 Dollar pro Person bezahlen soll und unbedingt für 60 Dollar einen Guide anwerben muss. Die 10 Dollar wollen wir gerne bezahlen, ein Guide ist natürlich langweilig. Wir werden den Weg schon finden. Die Dame im bezeichneten Haus möchte uns gerne ihre Tochter mitgeben, was wir ablehnen. Irgendwann lässt sie sich darauf ein und wir wandern los. Kartenmaterial haben wir natürlich nicht. Dem unseres Erachtens einzigen Weg folgend sehen wir, dass wir so nie zu den Wasserfällen kommen, welche auf den Online-Karten zwar dargestellt sind, aber halt nicht der Zugang zu diesen. Nach mehr als einer Stunde Wanderung müssen wir aus Zeitgründen wieder umdrehen. Das Bad in den zu überquerenden Flüssen ist zwar ganz nett, entschädigt jedoch nicht ganz für die verpassten Wasserfälle. Etwas kleinlaut schleichen wir am Haus mit dem Guide vorbei und treten den Rückweg an.
Der Leser mag sich eine Version aussuchen. Egal, welche stimmt: Wir hatten einen sportlich-wunderbaren Tag!
Auch der Rückweg ist pohnpeisch-einfach. Sehr schnell hält einer dieser Klein-LKW an, auf dessen Ladefläche immer Menschen sitzen und nimmt uns mit zurück nach Colonia. Der Fahrtwind kühlt unsere überhitzten Körper und als Zusatz gibt es nette Gespräche mit den anderen Fahrgästen.
Und wie klang dieser Esmeralda-Feiertag nun aus? Die Besatzung legt, zurück an Bord, die zu diesem Anlass von einem hiesigen Schneiderkünstler angefertigte Esmeralda-Ausgehuniform (siehe Bilder) an und braust mit dem Dinghy ins nahegelegene Restaurant „Hideaway“. Mitten in den Mangroven gelegen, kann man es durch einen schmalen Kanal per Boot erreichen. Dort hat man dann einen wunderschönen Blick auf die Natur und das stilvoll aus Holz gefertigte Restaurant. Nur leider ist es heute dunkel dort. Das ausgerechnet der Samstag der Ruhetag für die hier arbeitende Bevölkerung ist, hätten wir nicht vermutet. Was nun? Recht ratlos stehen wir in unserem besten Dress herum, was die Restaurant-Besitzerin anlockt. Jetzt passiert mal wieder so ein kleines Wunder, welches vermutlich nur in der Ferne möglich ist! Nach einem kurzen Gespräch bietet sie uns an, für uns das Lokal zu öffnen. Ihr Koch wird demnächst erwartet und der kann uns dann schnell was kochen. Wenn es uns nicht stört, allein im Restaurant zu sitzen?
Stören? Wir genießen diesen ganz besonderen Abend hier, können sogar Musikwünsche äußern und wissen zum Ende des Tages, dass wir heute ganz besondere Dinge erlebt haben.
Trotz dieser großartigen Erlebnisse wird es mal wieder Zeit weiterzuziehen. Pohnpei war uns am Anfang nicht sehr nahe, wird aber jetzt einen Dauerplatz in unseren Erinnerungen und in unseren Herzen behalten. Am 4.3. werden wir den 1200 Meilen weiten Weg nach Yap, der westlichsten Insel im riesigen pazifischen Areal Mikronesiens, antreten.
Kosrae 05.02.-16.02.2024
Die 500 Seemeilen verlaufen endlich mal wieder störungsfrei ab. Keine nennenswerten neuen Katastrophen haben sich aufgetan. Ein entspannter Törn. Nach 5 Tagen erreichen wir Lelu Harbour.
Nach dem flachen Majuro Atoll endlich wieder Berge und die grüne Insel ist eine wahre Augenweide. Wir ankern vor der spitzbusigen Silhoute der „Sleeping Lady“. Wie eine schlafende Frau sind die Umrisse der Berge geformt.
Familie Smith, die sich seit vielen Jahren um Segler kümmert, begrüßt uns freudig. Die Bordingparty ist für den kommenden Tag, im Garten der Smiths, arrangiert. Was für ein Service. Wir müssen nirgendwo hinrennen und die 3-stündige Wartezeit, bis so jede Behörde erscheint, nehmen wir gerne in Kauf.
Die noch etwas an uns haftende lethargische Stimmung aus Majuro verfliegt schnell. Die Hummeln im Hintern sind zurück! Wir werden wieder aktiv. Die Fahrräder werden an Land gebracht und was wir nicht zu Fuß erkunden, erkunden wir mit den Rädern. Wir wandern, besichtigen einen Wasserfall und eine Vogelhöhle u.v.m.
Dabei lernen wir unglaublich nette Menschen kennen. Mit Blacky, einem aus Hawaii kommenden Segler und seinem Sohn Morgan, verbringen wir die intensivste Zeit. Der 81 jährige Blacky begeistert uns. Im Herzen immer noch ein Hippie, hält sich mit seinen täglichen Turnübungen fit, ernährt sich sehr gesund und die politische Einstellung (trotz amerikanischen Wurzeln) ist sehr in Ordnung.
Wir sitzen einige Abende zusammen und genießen interessante Gespräche. Dazu gesellt sich Mark, der auf der Insel das „Island Hopper Hotel“ betreibt und außerdem Tauchgänge anbietet. Das nutzen wir und machen mit ihm zwei schöne Tauchgänge.
Durch die Fahrräder fallen wir auf der Insel auf. Hier wird nur Auto gefahren. Importierte japanische Gebrauchtautos, mit Lenkrad rechts, obwohl Rechtsverkehr herrscht. Die Importmarkierung durch Aufkleber oder Kreidebemalung an der Windschutzscheibe wird nicht entfernt. Das stört wohl niemanden.
Freudig winkt man uns zu, hält uns gerne in einem Schnack auf, Kinder rufen uns lachend und fröhlich hinterher. Wir lernen einen pensionierten Lehrer kennen und trinken in seinem Garten genüsslich eine gut gekühlte Kokosnuss, während wir uns unterhalten. Zum Abschied schenkt er uns, aus eigenem Anbau, Ananas, Bananen, Taro und Mandarinen.
Die Menschen leben auf der Insel vom Zusammenhalt der Familien. Diejenigen, die für die Regierung arbeiten oder in die USA ausgewandert sind, unterstützen die restliche Familie. Keiner muss hungern und große Sorgen hat man hier auch nicht.
Bei all dem Glück gibt es aber auch eine Schattenseite. Feinde!
Egal ob wir zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind. Bissige Hunde lauern überall und laufen zähnefletschend, laut bellend hinter uns her. Die Fahrradtouren werden oft zum Spießroutenlauf. Eigentlich lieben wir Hunde, aber zu Kosraehunden finden wir keinen Draht. Deutsche, harte und eindringlichen Worte prallen an ihnen ab. Kein Wunder, dass die Biester auch gerne mal bei den Einheimischen auf dem Grill landen.
Da sind uns die Flughunde (große Fledermäuse), die hier zahlreich in der Abenddämmerung ausschwärmen, weitaus sympathischer.
Wir nehmen noch an einem großen Ereignis teil. Logan, der Sohn von Mr.Smith heiratet. Wir sind eingeladen. Die Zeremonie beginnt um 14:00 Uhr im Garten der Familie. Ungefähr 80 Gäste sind gekommen und sitzen auf Plastikstühlen, hintereinander in Reihen, mit Blick auf das Brautpaar. Das Brautpaar, mit etwas gequälter Miene, wie wir finden, sitzt unter einem festlich geschmückten Pavillon, umringt von üppigen Cremetorten.
Der Pastor spricht, dann wird gesungen und danach darf das Brautpaar die Dokumente unterschreiben. Außerdem müssen die Väter des Paares ebenfalls mit einer Unterschrift ihre Zustimmung zur Vermählung erteilen. Das Tortenbüffet wird eröffnet und jeder Gast darf dem Brautpaar gratulieren. Wir sind noch am Kuchen essen, da löst sich die Veranstaltung auch schon wieder auf. Was für ein Tempo. Warum kann die Einklarierung nicht auch mal so rasant ablaufen? Zum Abschied bekommt jeder Gast noch eine Plastikschale in die Hand gedrückt. Essen zum Mitnehmen! Keine Feier, kein Tanz, kein gemütliches Beisammensein. Innerhalb von 2 Stunden ist die Hochzeit beendet. Seltsam, aber so feiert man in Kosrae Hochzeit.
Die Kirche hat einen großen Einfluss auf die Bevölkerung. Sie bestimmt was man tun darf und was man zu lassen hat. Sonntags finden gleich mehrere Gottesdienste statt und die sind die wichtigsten Ereignisse der Woche. An diesem Tag herrscht auch striktes Badeverbot. Außer dem Gottesdienst ist an Sonntagen nicht viel los, da bleibt man zu Hause und macht Babys, erzählt man uns lachend.
Etwas wehmütig werden wir diesen wunderbaren Ort nun verlassen. Die Menschen und die Natur werden wir vermissen.