01.09.23-29.10.23 Fiji Bitter
Wir starten mit dem ersten Morgenlicht. Wie wir wissen, wollen fast alle Segler, die derzeit in Samoa liegen, heute weiter Richtung Fiji oder Tonga und da uns das Gruppensegeln nicht so liegt, versuchen wir vor allen anderen loszukommen. Das gelingt auch ganz gut, lediglich eine englisch-belgische Yacht verfolgt uns.
Der Wind ist immer noch recht ruppig, ebenso sind die Fahrbahnverhältnisse eine Zumutung.
Lediglich in der Apolima Strait, der Passage zwischen den beiden Hauptinseln Upolu und Savai´i, verlässt uns der Wind durch die Abdeckung der Berge kurzzeitig.
Dann zieht wieder die Langfahrt-Routine ein; die Tage vermischen sich in der Erinnerung zu einem Einheitsbrei, welcher nur einmal durch die Erkrankung unseres dritten Crew-Mitgliedes, dem ewigen Steuermann „Windsteuerung“, eine erinnerungswürdige Note erhält. Ein kleines Schräubchen ist nun also nach 6 Jahren hartem Einsatz gebrochen, welches die Verbindung zwischen Windfahne und Pendelruder darstellt. Der Schraubenrest steckt unlösbar im Aluguss und so muss erst einmal eine Notoperation (eine Schlauchschelle an richtiger Stelle) die Arbeitsfähigkeit des Steuermanns wiederherstellen. Später am Ankerplatz wird die Schraube dann ausgebohrt, ein neues Gewinde geschnitten und so ist dann alles wieder wie vorher.
Irgendwann nähern wir uns den ersten Inseln Fijis, den Inseln der Laugruppe. Jetzt wird es dann auch mal Zeit, in die elektronische Karte hineinzuzoomen und mit Erstaunen sehen wir viele kleine Inseln und Riffe, durch welche uns Navionics (die elektronische Karte) hindurchschummeln will. Ach nee, wir lieben zwar das Abenteuer, aber so etwas und dann auch noch bei Nacht…
Zugegebenermaßen beschäftigen wir uns jetzt endlich mal genauer mit den möglichen Wegen zur Hauptinsel Viti Levu mit der Hauptstadt Suva, unserem Ziel. Wie wir nun sehen, gibt es 3 Passagen durch das Inselgewirr. Die nördliche Nanuku-Passage wäre sicherlich die kürzeste Variante gewesen, dafür ist es nun aber zu spät. So wählen wir die südlichere Lakeba-Passage: Ein kleiner Umweg, der im großen Weltenlauf wohl kaum Beachtung finden wird.
Die Navigation in den Gewässern um Fiji gestaltet sich generell recht schwierig. Gab es bei den bisherigen Inseln im Südpazifik lediglich ein schützendes Außenriff, dem sich dann der durchgängig tiefe Pazifik anschloss, so ziehen hier Riffe und Kleinstinseln kreuz und quer durch das Seegebiet. Damit ist dann auch nie eine Gerade die mögliche Segelroute von einem Ort zum anderen, sondern man muss achtsam den Untiefen auszuweichen und teilweise sehr enge Passagen zwischen den Riffen bewältigen.
Am 6.10. schiebt sich das Segelschiff Esmeralda dann durch die von Riffen mit einigen Wracks gesäumte Levu-Passage in die Walu-Bay in Richtung Savu.
Fiji hat recht strikte Einreisevorschriften. Bereits im Voraus muss ein 13-seitiges Formular ausgefüllt und per Mail abgeschickt werden. Die Einreise ist nur über wenige „Ports of entry“ möglich und natürlich gehört die Hauptstadt Suva zu diesen Häfen. Ein weiterer Grund für unser Erscheinen an diesem Platz ist, dass unsere lieben Schweizer Freunde von der Mon Bijou hier auf uns warten. Außerdem fiel die Wahl auf Suva, da ein Teil der Besatzung am 11.9. für einen Monat nach Deutschland fliegen wird und die Restbesatzung, welche im wirbelsturmgefährdeten Fiji auf das Boot achten muss, hier in Suva genug Zerstreuung finden sollte und auch beste Bedingungen für einige anstehenden Reparaturen bestehen.
Die Einklarierungsprozedur zieht sich dann noch gewaltig hin. Erst nach 24 Stunden kommt die Ordnungsmacht an Bord. Zuvor dürfen wir das Land nicht betreten, so dass die Eidgenossen im Schutze der Dunkelheit uns widerrechtlich besuchen müssen. Da Bio-Security, Zoll, Immigration und Gesundheitsbehörde für das Einklarierungsgeschehen einige Papiere vollschreiben müssen, ist Geduld gefragt, welche dann am Folgetag nochmals nötig ist, da bei diesen Behörden nun auch eine Rechnung für den Akt gelöhnt werden muss. Wir lernen viele lustige Büros auf diese Weise kennen, was schon allein das Geld wert ist.
Mit Tommy und Res unternehmen wir noch ein paar schöne Wanderungen durch den Regenwald. Lustig gerät der Kauf eines Sulu für die Männer der Esmeralda- und Mon Bijou-Besatzung. Will man in Fiji anständig in der Öffentlichkeit erscheinen, sollte der Mann einen Rock (den Sulu) tragen. Also kaufen wir den uns auch! Der ganze Laden nimmt Anteil und freut sich über die Weißhäuter, die sich versuchen, der Landeskultur etwas anzupassen.
Fiji ist ein Mix aus 57% Melanesiern und 38% Indern. Fehlt da nicht noch was? Klar, der Rest sind Chinesen, Europäer… Im Vergleich zu den Polynesiern (verschiedene Hautfarben) sind die Melanesier dunkelhäutig und haben zumeist eine lustige Afro-Frisur (also feingelockte Wuschelhaare). Sie sind glücklicherweise eher schlank, gutaussehend und fast immer prächtig gelaunt. Auch die Inder sind übrigens freundlich und angenehm in den Umgangsformen. Alle eint ein großer Stolz auf ihr Heimatland Fiji. Jedes Taxi wie auch jeder Einkaufsmarkt ist mit Landesflaggen geschmückt, in den Kleidungsläden nehmen Fiji-Shirts einen großen Raum ein und nach der Frage nach unserer Herkunft steht die Frage, wie es uns in Fiji gefällt, schon an 2. Stelle. Der Nationalsport des Landes ist Rugby. Da momentan gerade die Weltmeisterschaft läuft und Fiji das große und mächtige Australien geschlagen hat, ist das Selbstbewusstsein der Fijianer nochmals kräftig gestiegen.
Ganz besonders gefällt uns die riesige Markthalle in Suva. Unendlich viel Obst und Gemüse wird im Untergeschoss angeboten und im Obergeschoß wähnt der Kunde sich in Indien. Gewürze aller Art in riesiger Menge und Vielfalt gibt es zu kaufen und eine Beratung, wie man damit umgeht, wird umsonst mitgeliefert. Ein Paradies!
Doch schon bald geht es mit dem Bus nach Nadi (4 Stunden Fahrt) zum Internationalen Flughafen und erstmals seit Jahren geht die Esmeralda-Crew für 4 Wochen getrennte Wege.
Nach der schmerzlichen Trennung auf Zeit wird vieles angepackt, was schon länger auf der Arbeitsliste stand. Es bleibt aber auch noch Zeit, gemeinsam mit den Schweizer Freunden für eine Woche zur Nachbarinsel Vanua Levu zu segeln, wo wir spektakuläre Tauchgänge am Rainbow-Riff unternehmen, das hübsche Savusavu besuchen und uns dann wieder durch das Rifflabyrinth nach Viti Levu schlängeln.
Wunderbarerweise tauchen nun auch noch unsere Freunde Sybille und Bo von der Sybo hier auf und auch Pia und Köbi von der Lupina erscheinen. Was für eine Freude! So wird es nicht langweilig. Einige Tage später kommt Ingo hier zu Besuch an Bord, welcher in der Nachbarschaft ankert. Ingo hat mit seiner Moody 35 das Kap Horn in Ost-West-Richtung umsegelt und verdient damit den Respekt der Esmeralda-Crew. Mit Ingo wird der Mont Korobaba bestiegen, was nach tagelangen Regenattacken eine sehr schlammige Angelegenheit ist. Das ruinierte Schuhwerk kann durch den wunderbaren Blick über Suva und die umgebende Landschaft kompensiert werden.
Außerdem unternehmen wir viele Ausflüge in die Stadt und in die Bar des Königlichen Suva Yachtclubs, dessen Mitglied wir durch einen überschaubaren Betrag werden konnten. Auf Fiji wird bemerkenswert gutes Bier gebraut: Fiji Gold (trinkbar) und Fiji Bitter (Hochgenuss). Im selbstlosen abendlichen Einsatz an der Bar gelingt es gemeinsam mit den benachbarten Seglern das Bruttosozialprodukt von Fiji deutlich anzuheben.
Und dann ist es auch schon soweit: Die Crew ist wieder vollständig und außerdem kommt auch noch lieber Besuch an Bord. Rudi und Ole haben die weite Reise nicht gescheut und werden eine Weile zusammen mit uns die Inselwelt von Fiji bereisen. Eine Insel ist schöner als die andere. Unter anderen besuchen wir die „Cast-away-Insel“, auf welcher der Film mit Tom Hanks gedreht wurde. Uns gefällt eher, dass die Insel unbewohnt ist und wir den Inselgipfel erklimmen können.
Wir erleben die Sevusevu-Zeremonie auf der Nachbarinsel, welche darin besteht, dem Oberhaupt des Dorfes als Dank für die Möglichkeit, vor der Insel zu ankern und das Land zu betreten, ein Bündel Kava-Wurzeln zu überreichen. Diese werden dann zerstoßen und in Wasser aufgeschwemmt und mit der Dorfgemeinschaft in einem festen Ritual getrunken. Interessanterweise hat die Mischung keine anregende, sondern eher eine beruhigende Wirkung. Uns schmeckte der Sud nicht so. Die Zunge wird taub und die Pampe hat den Geschmack und auch das Aussehen von Lehmbrühe.
Für den Besuch bei Hofe gilt es sich würdig zu kleiden. So ziehen wir alle ein Röckchen an und freuen uns an dem Aufstand, den wir im Dorfe auslösen. Von allen Seiten schallt es „Bula“ (Hallo) zu uns. Vor allem die Kinder sind nicht zu halten und haben keinerlei scheu, uns sehr innig zu begrüßen. Vom Dorfchief wurde Rebecca, ein 12-jähriges Mädchen, bestimmt, uns durch das Dorf zu führen. Sie zeigt uns die Schule, welche auch am Abend offen und zugänglich ist und erklärt uns das Leben in diesem recht abgelegenen Dorf. Sie will später mal Lehrerin werden und muss damit nach der 8.Klasse auf eine höhere Schule ins entfernte Nadi, so dass sie dann nur noch am Wochenende nach einer längeren Bootsfahrt zu Hause sein kann. Die Menschen wirken aber durchweg zufrieden mit ihrer Lebensweise und leben anscheinend als große Gemeinschaft, geführt vom Chief, welcher seinen Posten vom Vater geerbt hat und den er an seinen Sohn später weitergeben wird.
Auch Kokos-Nüsse können wieder geerntet und genossen werden: Wir hatten es schon vermisst!
Es ist schön, wieder einmal allein in einsamen Buchten vor Anker zu liegen, im türkisfarbenen Wasser zu schnorcheln und am Palmenstrand Erkundungstouren zu unternehmen. Von Insel zu Insel hopsen wir in Richtung Vanua Levu, der zweiten Hauptinsel von Fiji. Etwas Unruhe bringt der erste Wirbelsturm der Saison, der Zyklon Lola. Täglich verfolgen wir die Zugrichtung und können beruhigt aufatmen, als klar wird, dass er sich für eine südwestliche Zugbahn weit genug von uns entfernt entschieden hat. Und im schönen Savusavu endet dann unsere gemeinsame Zeit mit Rudi und Ole. Für ein paar Sehenswürdigkeiten reicht es noch. Ein Wasserfall wird besucht und mit einem altersschwachen Bus, welcher asthmatisch im Schritt-Tempo sich die Berge hochquält, fahren wir nach Labasa, auf der Nordseite der Insel. Wenn auch diese Stadt nicht so viel zu bieten hat, ist doch der innige Kontakt zu den Einwohnern insbesondere im Bus ein Höhepunkt.
Dann bringen wir Ole und Rudi zum Flughafen (eine Baracke mit Wiese als Landebahn). Wir hatten eine wunderschöne Zeit gemeinsam und wir sind sehr dankbar, dass sich zwei unserer Freunde auf diese lange Reise gemacht haben, um mit uns Fiji zu erleben.
Doch auch für uns wird es jetzt Zeit. Lola hat uns erinnert, dass man im Sommer der Südhabkugel besser in weniger wirbelsturmgefährdete Regionen ausweicht. Die meisten Segler zieht es nach Neuseeland oder Australien. Wir haben beschlossen, aus dem Einheitstrott auszuscheren und wollen in den ebenso sicheren Norden in Äquatornähe. Die riesige und recht wenig bereiste Inselwelt von Kiribati lockt uns und sollte denn auch bald noch besucht werden: Setzt sich die Klimaerwärmung weiter fort, wird der steigende Meeresspiegel wohl diese Inseln zuerst von der Landkarte verbannen.
Allerdings mögen wir uns noch nicht gleich vom unerwartet reizvollen Fiji trennen. Vor der Abreise wollen wir noch in die Viani-Bucht, um am Rainbow-Riff eines der schönsten Tauchreviere der Welt nun gemeinsam zu betauchen.
Ach, was noch vergessen wurde: Auf dem Wege nach Fiji haben wir nun auch die Datumsgrenze, den 180. Längengrad, überfahren. Gut sichtbar im Lichte der Nachmittagssonne glänzt die gelbe Linie im tiefblauen Wasser. Auf dem GPS-Gerät wechselt die nachgestellte Himmelsrichtung von W auf E. Sind wir jetzt auf dem Heimweg?