10.08.2018
Wir legen um 6.00 Uhr in Port Ellen ab. Nachts regnete es kräftig. Auch die Temperatur scheint noch einmal deutlich gesunken zu sein. Beim Setzen des Großsegels ergießt sich über uns das in der Nacht gesammelte Wasser. Erstaunlicherweise ist es in einem flüssigen Aggregatzustand! Doch des Seglers Stimmung verbessert sich, als der mitlaufende Strom die Bootsgeschwindigkeit permanent steigert. Vor der Nordostküste von Irland erreichen wir längere Zeit sogar 10-11 Knoten Fahrt. Irgendwann endet natürlich dieser Idealzustand, die Strömung kommt nun von vorne und wir werden langsamer. Trotzdem erreichen wir am Nachmittage Belfast.
11.08.2018
Es ist Zeit für eine Stadtbesichtigung. Mit Belfast verbinden wir gedanklich religiöse Konflikte, Auseinandersetzungen zwischen Iren und der britischen Herrschaft und viele sinnlose Gewaltakte mit einer großen Zahl von Todesopfern. Tatsächlich ist die Stadt am Vormittage voller schwer bewaffneter Polizeikräfte. Überall sieht man gepanzerte Fahrzeuge. Wir erfahren, dass es heute eine Demonstration geben soll. Wofür oder wogegen erschließt sich uns nicht. Das fröhliche Leben in der Stadt lässt sich davon nicht beeindrucken: Überall sieht man Straßenmusiker von erstaunlicher Qualität. Nachmittags beginnt man sich auf die Samstagabend-Party vorzubereiten. Die Pubs, welche von kräftigen Ordnern bewacht werden, füllen sich. Bereits zu dieser Zeit spielen stündlich wechselnde Bands, von denen nur wenig Notiz genommen wird. Eher weckt es den sportlichen Ehrgeiz des Publikums, die Musik durch noch lautere Gespräche zu übertönen. Trotzdem scheint es für nicht den Erwartungen entsprechenden Kapellen eine unmittelbare Gefahr zu geben: Auch vor der Bühne stehen beidseits je ein kräftiger schwarzgekleideter Aufpasser.
Das anschließende Abendessen beim Inder wird ebenfalls von einem enormen Lärmpegel begleitet. Zu stören scheint es nur uns…
Der anschließende nochmalige Pubbesuch mit Livemusik bestätigt eine bereits getroffene Vermutung: Die nordirische weibliche Bevölkerung ist gezwungen, sich am Partyabend in ein schwindelerregendes Kleidchen zu zwängen, egal, welche Wetterbedingungen herrschen (Heute: 15 Grad, Dauerregen)! Da es diese Fähnchen in jeder Konfektionsgröße zu geben scheint, muss auch die korpulente Frau höheren Alters nicht auf ihre Ausgehuniform verzichten. Das immer noch herrschende Leid der weiblichen hiesigen Bevölkerung wird uns bewusst, jedoch entsteht auch der Verdacht, dass eine gewisse Mitschuld der Frauen an diesem Schicksal nicht ganz vernachlässigt werden kann.
Uns reicht es irgendwann und wir versuchen, das heimatliche Schiff wieder zu erreichen. Nun jedoch fand die Technogroßveranstaltung ihr Ende, welche seit dem Nachmittage die Stadt mit den dröhnenden Bässen zu erschüttern schien. Sofort sind wir umringt von hunderten sehr jugendlichen Menschen. In dieser Generation scheint der Paarungsdruck noch größer zu sein: Die Jungs in kurzen Hosen ziehen sich ihre völlig durchnässten T-Shirts aus und präsentieren ihre Oberkörper. Die Mädchen, welche nur knapp die primären und sekundären Geschlechtsorgane durch Textilien bedeckt zeigen, haben diese Möglichkeit nicht.
Man strebt den bereitstehenden Bussen zu. Die Party ist beendet.
Wir erreichen nachdenklich den Hafen. Sollte die globale Erwärmung nun doch noch in den nächsten Tagen Belfast erreichen, ist man jedenfalls hier gut vorbereitet!
12.08.2018
Noch ein freier Tag in Belfast! Wir gehen in das Ulstermuseum, um mehr über die nordirischen Konflikte der 70er- 90er Jahre zu erfahren. Große Teile des Museums sind diesem Thema gewidmet. Wenn auch die Gegensätze zwischen Katholiken, Protestanten und britischer Besatzung weitestgehend Ende der 90er Jahre befriedet werden konnten, führte die Brexitabstimmung doch wieder zu Abspaltungsgedanken: Nordirland entschied sich mit mäßiger Mehrheit für einen Verbleib in der EU, was den Separatisten neuen Aufwind gab.
Am Abend trifft Frank in Belfast ein. Er wird Jan an Bord der „Filou“ ablösen. Dem Anlass entsprechende Feierlichkeiten sind unvermeidbar.
13.08.2018
Um 6 Uhr morgens geht es weiter. Wir haben mittlerweile ein heiliges Grundgesetz des Segelns im Gezeitenmeer erkannt: Soll sich die Stromrichtung der Gezeit proportional zur geplanten Fahrtrichtung verhalten, verhält sich die Ablegezeit umgekehrt proportional zur Aufstehgewohnheit des Seglers!
Nach einigen zu umschiffenden Untiefen erreichen wir guter Stimmung Ardglass. Der Hafen scheint wie in den Fels gehauen. Wir erkennen die Einfahrt erst als wir fast davor sind. Auch hier in der Einfahrt sind einige Untiefen, die jedoch wohlwollend vom Hochwasser überdeckt werden. Nach dem Anlegen fordert nur 1-2 Meter entfernt eine Robbe ihren Anteil an der Hafengebühr. Leider ist ja nun Esmeralda ein hauptsächlich vegetarisch geführter Dampfer! Missmutig und grußlos verschwindet nach einigen Minuten der Gast. Jedes einfahrende Boot wird nun voller Hoffnung von einer/dieser Robbe verfolgt.
Auch für uns gestaltet sich die Nahrungsaufnahme etwas problematisch, da es lediglich ein chinesisches Restaurant im Orte gibt. Dann eben mal chinesisch…
14.08.2918
Der Gang zur Dusche erfordert Kletterkondition, da der Steg bei drohendem Niedrigwasser fast 90 Grad (naja) aufwärts führt und auch der Hafen – Nebenarme sind bereits trocken und die Schiffe dort liegen untypisch im Schlamm- sieht aus wie ein Pfütze im Gebirge mit einer schmalen Rinne zum Meer und so beeilen wir uns, aus dem drohenden Gefängnis rechtzeitig zu entkommen, was auch, trotz beängstigender Tiefenangaben auf dem Display, gelingt – auch für einen ehrerbietigen Gruß an die ruhenden Roben auf dem Hafenfelsen findet sich noch Zeit – und wir segeln komfortabel mit achterlichen Wind auf die nur 35 Meilen entfernte Isle of Man zu, welche wir zu Hochwasserzeiten erreichen müssen, da der Hafen Peel, durch eine Barre geschützt, in seiner Einfahrt ansonsten trockenfällt. Und das haben wir auch geschafft. Ist sonst noch was passiert? Nein, nichts was die Welt interessiert!
15.08.2018
Wir fahren mit dem Bus nach Ramsey um auch etwas von der Isle of Man zu sehen. Dort wollen wir mit einer altertümlichen Tram nach Douglas, der Inselhauptstadt, fahren. An der Busendhaltestelle fragen wir den Busfahrer nach dem Weg zur Bahnstation. „Bleibt mal sitzen, ich fahre euch dahin!“ Nur für uns dreht der Bus eine Ehrenrunde durch den Ort und setzt uns direkt an der Haltestelle ab! (Busfahrer dieser Welt! Schaut auf diese Stadt!)
Der Zug kommt. Der Tramanhänger ist nach allen Seiten offen und da sich auf beiden Seiten des Zuges viel Landschaft befindet, ergeben sich wunderschöne Ausblicke auf die Insel! Nach Rückkehr in den Hafen sollte es eigentlich am Abend in Richtung Dublin weitergehen. Der Wind hat jedoch kräftig zugenommen, auch regnet es wieder massiv und wir verschieben den Absprung von der Isle of Man auf den nächsten Morgen (5 Uhr!). Später wäre eine Ausfahrt aus dem Hafen wegen ablaufenden Wasser nicht mehr möglich.
16.08.2018
Wie von Geisterhand öffnet sich die Brücke nach Anfrage per UKW-Funk. Wir setzen Segel, es wird langsam hell und nun müssen wir die 85 Meilen nach Dublin bei noch immer kräftigem Südwestwind aufkreuzen. Zum Glück dreht der Wind wie vom Wetterbericht versprochen am Nachmittag auf West und wir können den Hafen nunmehr direkt anlaufen. Um 01.30 Uhr machen wir endlich in der Hafenmarina fest. Die Einfahrt in den sehr unübersichtlichen Hafen gestaltete sich etwas kompliziert. Verstärkt wurde dies durch die schwer nachvollziehbaren Anweisungen des Hafenkapitäns per Funk, auf der linken Seite der Fahrrinne (also auf der falschen Seite – auf dem Wasser herrscht auch im englischsprachigen Raum Rechtsverkehr) einzulaufen. Kein einziges Schiff begegnete uns im Hafengebiet und wir verstanden nicht die Aufregung. Egal, wir waren geschafft und gingen schlafen.